Tour nach Rumänien 22. – 26. Januar 2025
Von Daniel Fussy, Elka Sou und Matthias Straub
Gegen Ende des letzten Jahres erfahren wir von einer Modernisierungsinitiative in diversen Schulen in Bonn. Die Kreide und Farbstift- Wandtafeln sollen durch modernere überwiegend mobile elektronische Tafeln ersetzt werden. Die alten Wandtafeln haben wohl in Deutschland keinen Restwert mehr und sollen entsorgt werden. Wir schreiben die Stadt Bonn kurzerhand mit der Bitte an uns doch einige der alten Tafeln für Charity Zwecke zu überlassen. Dem Ansuchen wird entsprochen. Ein erster Versuch kurz vor Weihnachten einige Tafeln zu übernehmen, scheitert allerdings. Die Wandtafeln werden schneller entsorgt als gedacht und wir fahren unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Aber am 10. Januar meldet sich eine Mitarbeiterin der Firma, die von der Stadt Bonn mit dem Abbau von Schultafeln am Tannenbusch-Gymnasium in Bonn beauftragt ist. In Absprache mit der Stadt Bonn bieten Sie uns die Übernahme von einigen Schultafeln an. Sind wir interessiert? Klar, sind wir!
Demontage
Wir kommen wie vereinbart am Dienstag, 14.01.2025 vormittags zur Schule, sehen uns die Demontage der Tafeln an, und besprechen ein Prozedere mit den Mitarbeitern damit wir sie anschließend auch wieder montieren können.
Wir dürfen alle geeigneten Tafeln, die am Dienstag und Mittwoch demontiert werden, mitnehmen. Eine Reihe von bisher montierten Tafeln ist allerdings nicht mehr nutzbar, da sie „im Glauben an die Entsorgung behandelt wurden“.
Wir besorgen noch Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Schrauben und Zubehörteile bei OBI, dann machen wir uns auf den Weg zum Tannenbusch Gymnasium. Mit etwas Geduld packen wir schließlich während der zwei Tage insgesamt 13 Tafeln in den Sprinter. Vier Tafeln werden mit Jochem Savelsberg´s Hilfe beim Christlichen Hilfswerk Tabea in Swisttal für die Ukraine abgeladen, 9 lassen wir im Sprinter. Sie werden mit den anderen humanitären Hilfsgütern auf Sprinter und Anhänger aufgeteilt. Für Rumänien.
Beim Packen
Jetzt heißt es zügig planen da man die schweren Gegenstände nicht lange im Fahrzeug lassen will und jedes Umladen anspruchsvoll ist. Hinzu kommen noch 40 Bananenkisten mit Winterkleidung, hauptsächlich für Kinder, aber auch einige für Erwachsene, und andere mit Hygieneartikeln. Außerdem nehmen wir noch 2 Bürotische, Küchenausstattung für die Schule und den Kindergarten, mehrere Kisten mit Spielzeug und eine Kiste mit Plüschtieren mit.
Auf dem Weg nach Rumänien
Am Mittwoch, den 22. Januar sind wir, Elka Sou, Daniel Fussy und Matthias Straub, auf dem Weg nach Altlengbach in Österreich, und fahren am Donnerstag nach Oradea in Rumänien.

Eine lange Reise. Außer einem längeren Stau aber nicht wesentliches auf dem Hinweg. Ach ja, da waren noch die zwei freundlichen österreichischen Polizeibeamten, die nach Führerschein und Fahrzeugpapieren fragen und danach noch ergänzen: „Aber wir haben da noch ein Problem“. „Wir“ sind eigentlich die Sprinterbesatzung wie sich herausstellt. Aber wir kommen mit 20 Eur für zu schnelles Fahren mit Anhänger glimpflich weg und bedanken uns höflich. Wir erhalten sogar eine handschriftliche Quittung fürs Fotoalbum.

In Sachen Nächstenliebe unterwegs: Was heißt das?
Ansonsten haben wir viel Zeit, um nachzudenken. Uns beschäftigen Gedanken an die bevorstehende Wahl in Deutschland und an unsere momentane Migrantenpolitik, die oft eher geneigt ist Menschen auszugrenzen als Andersartigkeit bewusst und gezielt zuzulassen. Menschen an die Hand zu nehmen und bei der Eingliederung zu helfen wird zunehmend als schwierig empfunden. Insbesondere in Wahlkampfzeiten werden Werte proklamiert, die mit christlicher Nächstenliebe eigentlich wenig mehr zu tun haben. Aber was macht man, wenn man ausgerechnet in Sachen christlicher Nächstenliebe unterwegs ist? Was wählt man denn jetzt?

Ähnliches erleben wir bei jeder Tour nach Rumänien. Ein Rumäne ist kein Roma. Das wird uns immer wieder deutlich. Das wird auch offen so gesagt. Die öffentliche Wahrnehmung betont zunehmend Unterschiede und nicht Gemeinsamkeiten. „Wir hier“ und „Sie dort“, anstatt „Uns“. Exklusivität anstatt Inklusivität. Polarisierung. So haben Kriege begonnen. Schon immer. Aber wir kehren wohl am besten erst mal vor unserer eigenen Haustüre.
Im Gegensatz: Roma Kinder in Tinca und Cluj erleben wir überwiegend offen andere Menschen in ihrem Umfeld zuzulassen. Auf dem Schulgebäude in Tinca findet man sogar: „Learn to love, love to learn“. Ich glaube das sagt alles. Und sie meinen, was sie sagen.
In unseren Kreisen kommt oft der Gedanke auf, dass wir etwas Gutes für die Ärmeren tun möchten. Wir bringen etwas, was wir denken das es ihnen guttut. Was ihnen Freude machen könnte. Was ist, wenn eigentlich wir die Bedürftigen sind die Hilfe brauchen? Vielleicht können wir mal darüber reden, was die Kinder uns möglicherweise mitgeben (wenn wir dann hinschauen und zuhören). Was ist, wenn wir mehr mitnehmen als wir hinbringen? Das erlebe ich eigentlich immer öfter.

In Tinca
Am Freitag laden wir auf dem Schulgelände in Tinca aus. Nicu Gal und Mitarbeiter der People to People Foundation anpacken mit an.
Die Schule und der Kindergarten für Roma Kinder in Tinca soll in absehbarer Zeit ausgebaut werden. Auch in Cluj und Hetea (bei Brasov) gibt es Bedarf für Wandtafeln. Alle humanitären Hilfsgüter werden sorgfältig verwendet und werden dankbare Abnehmer finden. Nicu Gal und seine Mitarbeiter sind seit vielen Jahren als geschätzte und zuverlässige NGO-Mitarbeiter mit uns verbunden.

Wir besprechen die Projekte, die anstehen und verabreden uns für April für die nächste Tour. Diesmal würden wir gerne Cluj und auch Hetea besuchen.
Am späten Nachmittag besuchen wir Pastor Janos und Familie in Oradea und sehen viele bekannte und liebgewonnene Gesichter wieder, tauschen Gedanken aus und sprechen Gebete füreinander.
Neue Pläne
Am Samstagmorgen treffen wir uns zum Frühstück mit Nicu und vertiefen die Gedanken zur geplanten Tour im April, dann machen wir uns auf den Weg zur Grenze. Ein Unfall mit Todesfolge hält uns noch eine Stunde in Oradea fest. Nachdem der Krankenwagen umkehrt und leer zurückfährt, kommt der Leichenwagen. Ein Toter liegt zugedeckt auf der Straße, bis er in den Leichenwagen aufgenommen wird. Grausig. Wir können nicht vor und nicht zurück mit unserem Gespann.

An der Grenze
An der Grenze wird bei der Einreise nach Ungarn auf der ungarischen Seite doch noch kontrolliert, obwohl die Grenze nun schon seit geraumer Zeit offen ist und die eigentlichen Grenzgebäude auf beiden Seiten nicht mehr besetzt sind. Aber es dauert nicht lange und wir sind auf dem Weg durch Ungarn nach Österreich.
Randale und Luftschutz
Im Hotel in Altlengbach ist am Samstagabend Party angesagt, irgendetwas wird gefeiert, die Band spielt bis 2 Uhr nachts, die letzten Gruppengesänge wie bei einem Fußballspiel verstummen gegen 4.30. Beim Frühstück ist die Klientel übersichtlich, kein Wunder.
Nach ein paar Tassen Kaffee sind wir auf dem Weg. Der Sprinter läuft wie ein Uhrwerk, alles prima.
Wir kommen gut durch bis uns kurz nach dem Grenzübergang nach Österreich. Ein Schild für Fahrzeuge mit >2.8T leitet uns zur Fahrzeugwaage. Wir denken alles ist gut, wir wiegen ja nichts mehr, Sprinter und Trailer sind leer. „Fahrzeugpapiere und Führerschein bitte“, heißt es. Nachdem der freundliche Beamte sich alles sorgfältig angeschaut hat, sagt er: „Sie brauch’n no so aane Plakett’n. A Luftschutzplakett’n.“ Ich weise stolz auf die Vignette. „Na, a Luftschutzplakett’n.“
Ich verstehe nichts. Was, Luftschutzkeller? Luftschutz für das Auto? Plakette für was?
„Luftschutzplakett’n für’n Schutz der Luft von Wien. Wenn’s an Wien vorbeifahrst, muaßt im Leb’n vom Auto amoi so oane kaufa.“ Ich weise auf die grüne Plakette aus Deutschland die schon auf der Windschutzscheibe thront. „Jo, so aane wia die aus Deutschland. Die kannst beim ÖAMTC kaufa. Des kost jetzt eigentlich 70 Eur Strafe.“
Er lässt uns dann doch noch ohne Bußgeld weiterfahren. Bei der nächsten Tankstelle ÖMV fahre ich ab und lasse mich weiter belehren: „Jo, die hätt’n Sie bei der Shelltankstell‘ direkt nach’m Grenzübergang kaufa soll’n, die hab’n an ÖAMTC Automaten. Do gibt’s kane.“
Na bingo. Auf dem Weg an Wien vorbei kommt man mehrmals an riesigen ÖAMTC Gebäuden vorbei, eines glaube ich sogar mit Hubschrauberlandplatz gesehen zu haben. Die werden alle Einnahmen zum Luftschutz sicher gut gebrauchen können. Wenn wir das nächste Mal nach Wien fahren, werden wir uns eine zulegen. Bis dahin haben wir erwogen, dass wir drei an Wien und in Wien vielleicht abwechselnd die Luft anhalten sollten. Den Gedanken haben wir dann allerdings wieder verworfen. Also sind wir jetzt beim ÖTAMC in der Schuld und müssen das unbedingt nachholen. Demnächst. Wer weiß, was für zusätzliche Sticker bis dahin noch nötig werden. Meine Windschutzscheibe ist jedenfalls jetzt schon ziemlich zugepflastert.
Musik zum Nachdenken
Auf dem Rückweg durch Deutschland hören wir noch etwas Musik. Erst eine chinesische CD, dann deutsche und österreichische Radiosender, und dann habe ich noch die CD herausgeholt, die mit dem Sprinter verkauft wurde (war in dem CD-Wechsler verblieben). Eine CD mit Songs von der Band „Dritte Wahl“. Lieder mit Texten wie „Lass das Glotzen sein, greif ein“. Ziemlich deutliche deutsche Sprache. Passte zu dem nächtlichen Lärm, den diversen Polizeikontakten und den Luftschutzanforderungen. Und zur Wahl Thematik auch. Eigentlich. Naja, wir haben uns jedenfalls köstlich amüsiert.
